Krankenhausimpressionen - Seelenpflege - Schreiben gegen das Verrücktwerden!
Erster Tag..... Notaufnahme.....
Wenn ein Mensch sich an einem Sonntag
notfallmäßig in eine Notaufnahme begibt, dann kann das mehrere
Gründe haben.
Einer ist, er oder sie hat Langeweile
und gerade nichts besseres vor. Kommt wahrscheinlich auch vor, aber
nicht sehr oft! Die meisten Menschen, denen langweilig ist, sehen
fern oder besuchen das Grab der Großtante oder sitzen am Fenster und
gucken den Leuten beim Nichtlangeweilehaben zu. Sofern es welche zu
sehen gibt. Ist ja Sonntag...... .
Die, die keine Beschäftigung finden,
terrorisieren den Mann, die Frau, den Hund die Tochter oder den
Nachbarn und die hoffnungslosen Fälle versuchen dem Elend ein Ende
zu bereiten, indem sie sich sinnlos betrinken, die Frau verprügeln
oder die Katze erschlagen. Oder sich selbst. Die Parteien solcher
Auseinandersetzungen landen dann wiederum unfreiwillig in der
Notaufnahme, manche vielleicht in einer anderen.
Andere haben die Nacht auf der Straße
verbracht und wollen sich mal aufwärmen und fallen mehr oder weniger
in die Notaufnahme – aufgrund des Alkoholpegels durchaus als
Notfall einzustufen.
Und dann gibt es zahllose Unfälle,
Stürze, vor allem die FreizeithandwerkerInnen, die
WochenendmotoradfahrerInnen, die WochenendsportlerInnen, und und und
– zahllose Gründe, eine Notaufnahme aufzusuchen und sich behandeln
zu lassen.
Wir sind uns einig, dass nur die
wenigsten das als adäquate Freizeit- und Wochenendbeschäftigung
sehen würden und nicht eher den in meinem Fall nahe gelegenen Park
aufsuchen würden.
Also die, die sich in einer Notaufnahme
einfinden haben mehr oder weniger große Schmerzen, Malessen,
Probleme und Sorgen.
Die die in der Notaufnahme arbeiten
ebenso – die größte Sorge auf einem Sonntag ist – und das
erklär mit bitte eine – der nicht abreißende Strom an Menschen,
die sich in der nicht unberechtigten Hoffnung auf Hilfe dort
einfinden.
WIESO werden am Sonntag so viele Leute
krank????
Aber die Praxen sind ja auch am Montag
und nach den Wochenenden am vollsten – wobei es da glaube ich
tatsächlich ein gewisses Langeweile und „Kümmerdichummich“-Phänomen
gibt...
Das vermute ich in einer Notaufnahme
jedenfalls nicht so häufig.
Aber ich schweife ab....
Ich war an diesem Sonntag in der
Notaufnahme dieses Unfallkrankenhauses nach einiger Beratung mit dem
ärztlichen Notdienst und den Maltesern, die mich dann gefahren
hatten, weil ich Schmerzen hatte. Und wenn ich Schmerzen sage, meine
ich Schmerzen..... .
Das Fieber, die Übelkeit all das hätte
mich nicht im Traum dazu bringen können, am Sonntag Mittag eine
Notaufnahme aufzusuchen. Wirklich nicht!
Aber Schmerzen die sich anfühlen wie
tausende kleiner heißer Messer im Bein, Schmerzen, bei denen es
einer schlecht wird und schwarz vor Augen sind ein Grund! Definitiv!
Für die Ärztin war das damit
verbundene Fieber und die sich ausbreitende Rötung und Schwellung
und vielleicht auch die Überwärmung des Beines eher der
ausschlaggebende Grund.
Ich hatte einfach nur SCHMERZEN!
Wir hatten uns auf die Klinik geeinigt,
weil ich das Gefühl hatte, dort medizinisch am besten betreut zu
sein – ein Gefühl, mit dem ich durchaus Recht hatte. Alles
tipptopp – aber ich greife vor!
Angekommen dort, umgesetzt in den
Rollstuhl, eingestellt auf längere Wartezeiten – das Wartezimmer
voll im Sinne von „überfüllte Ölsadinendose“. Alles gut. Man
will ja nicht drängeln und auffallen und schon gar nicht nerven –
gucken auch alle so, als sollte man das lassen.
Die junge Frau an der Aufnahmetheke
versucht den Überblick zu behalten, erklärt und beruhigt und kann
trotzdem nicht verhindern, dass ihr Lächeln zwischendurch einem
Zähnefletschen gleicht.
Ich benutze meinen Koffer –
vorsorglich das Nötigste gepackt, sonst hätt ich ja auch zu Hause
bleiben können – als Beinablage und versuche gelassen zu gucken.
So gelassen wie das mit tausenden heißen Messerchen im Bein möglich
ist.
Warten......
Warten......
Warten.....
während ein Krankenwagen nach dem
anderen die Notaufnahme erreicht und auch durch die Türe die
Menschen den Wartebereich fluten....
Man bekommt ja auch was geboten hier...
Sozusagen Kino life und in Farbe...
Am eindrucksvollsten der, bei dem nicht
zu entscheiden ist, ob er betrunken, stoned, beides oder auf Methadon
ist..... Er wuselt durch die Notaufnahme, fragt alle paar Minuten
mal nach dem Stand der Dinge und geht eine rauchen und seinen Hund
streicheln, den er vergessen hat zu Hause zu vergessen.....
Überhaupt scheint er sich nichts besonders lange merken zu können...
Nicht nur dass er alle paar Minuten die gleiche Frage stellt –
außer der Frau an der Theke auch alle anderen mal – er guckt bei
immer der gleichen Antwort jedes Mal neu entgeistert. Und er
entschuldigt sich auch jedes Mal brav, aber er muss halt schauen,
dass er nach dem Hund schaut zwischendurch, weil, den hat er aus
Versehen mitgenommen, aber der ist ganz lieb – aufs Wort geglaubt,
Herrchen ja auch, ehrlich, lieb isser.... - und jetzt geht er mal
eben raus, nicht wahr, aber er kommt gleich wieder, ganz bestimmt....
Oder kommt dann ein anderer dran? Nein? Ach dann ist ja gut.
Eine Schachtel Zigaretten später –
geht recht schnell bei ihm, weil er ja immer vergisst, dass er gerade
schon mal draußen war – wird er endlich aufgerufen und
verschwindet erleichtert in den Tiefen der Notfallaufnahme!
[Wir werden ihn übrigens wieder
sehen...
Eine Stunde später beim Röntgen.....
Er hat immer noch Fragen.....
Macht ja nix, wir haben ja gerade nix
besseres vor.... da erklärt man doch gern noch ein zwei mal die
Gegebenheiten....
Sind ja auch viele Türen und viele
Leute sagen unterschiedliche Sachen....
Wie soll man sich da auch merken, was
wichtig war?
Er ist charmant und unglaublich
höflich, nur eben ein wenig verwirrt......ich an der Stelle im
Übrigen auch fast...... aber wir waren ja gerade noch im
Wartemodus.....]
Und dann tönt für mich der Ruf durch
den Lautsprecher „Bitte in Untersuchungsraum 1! „
Ich sitze in meinem Rollstuhl und kann
nicht anders als blöd grinsen – öhhhhhhh. Rollstuhl, Gehhilfen,
Rucksack, Koffer und selbst der wunderbarste Mann der Welt ist nur
mit zwei Armen ausgestattet.
Mein Blick geht zur Theke und erreicht
die Pflegerin. Sie guckt gebannt, was wir wohl als nächstes tun und
rührt sich nicht. Ich sage „Das ist jetzt ein wenig skurril,
oder?“ und ihr Blick erreicht mich! Kurz bevor meine linke
Augenbraue den Haaransatz erreicht hat, besinnt sie sich und springt
auf, um zu helfen. Nimmt dem wunderbarsten Mann der Welt die
Gehhilfen aus der Hand und öffnet die Tür. Ihr Glück. Augenbraue
an Haaransatz ist kurz vor Fremdsuizid!
Na – waren nur Ladehemmungen und wir
erreichen den genannten Untersuchungsraum ohne Komplikationen.
Die junge Ärztin macht einen
kompetenten Eindruck – ein Glück. Ich fasse spontan Vertrauen und
lasse sie beherzt an meinem Bein drücken, ohne ihr Schläge oder
Schlimmeres anzudrohen!
Das Prozedere wird abgesprochen –
immerhin werde ich mal dafür gelobt, dass ich nicht wegen jeder
Kleinigkeit gleich sie Niedergelassenen unsicher mache, kann ja keine
ahnen, dass der Bluterguss, den ich mir Wochen vorher an dem Bein
zugezogen hatte, nicht komplikationslos verheilt. Wer geht schon mit
nem blauen Fleck zur Ärztin? Ich seltener.
Und die blöde Schubkarre hätte ja
auch mal weggehen können.......
Wochen vorher...
Nun gut – geröngt, geschallt,
Knochen heile, Gewebe Matsch, bleiben, Antibiose, hochlegen,
kühlen..... und dann kommt das unvermeidliche: Blut abgeben!
Nun kann man sagen, ach so ein kleiner
Piks.
Und wer das sagt, hat Recht. Der Piks
ist definitiv nicht mein Problem.
Mein Problem ist generell, wenn
Menschen, die sich mit meinem Körper beschäftigen, in diesem Fall,
die meine Venen punktieren sollen und von mir aus auch dürfen, sich
spontan mit den Gegebenheiten MEINES Körpers besser auskennen, als
ich.
Der Auftrag lautet: Zugang – genannt
Vigo – legen und bei der Gelegenheit mehrere Röhrchen Blut fürs
Labor bereit stellen.
Auftrag soweit klar, die Pflegende und
ich konnten folgen.
Über die Durchführung herrscht
spontane Uneinigkeit.
Ich halte den linken Arm hin, das ist
der mit den zwei sicheren Venen. Die Gute nimmt den rechten Arm in
die Hand und fängt an zu tasten.
Stauschlauch schon im Anschlag.
Ich sag: „ Meiner Erfahrung nach,
geht links am besten.“ Sie sagt nichts, gibt mit keiner Reaktion zu
verstehen, dass sie mich gehört, geschweige denn verstanden habe und
tastet rechts weiter. Stauschlauch fast um den Arm.
Ich sage – etwas lauter : „Ähm,
entschuldigung, LINKS geht besser!“ Deutlich akzentuiert, mit dem
Versuch, Blickkontakt herzustellen. Wieder keine Reaktion, ich ziehe
meinen rechten Arm weg, bevor der Stauschlauch sitzt und fange an,
böse zu gucken.
Sie guckt irritiert und will nach
meinem Arm greifen, ich halte den linken hin und sage nur noch „DEN!“
, zeige mit dem Finger auf die entsprechende Stelle in der Armbeuge
und bin bereit meinen rechten Arm mit den Fäusten zu verteidigen.
Endlich eine Reaktion in Sprache.
„Geht nich! Nich in der Beuge!“ Nee
is klar. Auf die Diskussion bin ich vorbereitet, rein logisch
verstehe ich das Anliegen und bin bereit, mich zu erklären.
Ich versuche alle Zuversicht, derer ich
in der Lage bin in meine Stimme zu legen und erkläre, dass sich in
der Beuge meines linken Armes die Venen befinden, denen man nicht nur
gut Blut entnehmen kann, sondern auch gut eine Vigo – Zugang –
legen kann und dass das da wunderbar hält. Ich erkläre freundlich,
dass ich sicher bin und da so meine Erfahrungen habe und bitte sie,
den Arm zu nehmen.
Bis jetzt freundlich.
Bin ja gar nicht so.
Sie guckt mich mit dem „schon wieder
so eine, die alles besser weiß“-Blick an und ich verstehe sie.
Davon gibt’s ne Menge, kann ich auch ein Lied von singen. Aber ich
bin Chefin meines Körpers und egal, was sie denkt und
unausgesprochen lässt, es wird nur links gestochen.
Und sie tut es – sie sticht links,
ignoriert meinen Fingerzeig, setzt viel zu hoch an, bekommt ihr Blut,
aber die Vigo nicht in die Vene.
DANKE!!!!! Sticht mir die beste Vene
falsch an und guckt triumphierend! Dieser „Siehste! Ich habs besser
gewusst!“-Blick. Wenn sie so weiter macht, hat sie nicht mehr viel
Gelegenheiten, überhaupt zu gucken! Die Lust zum Fremdsuizid steht
mir ins Gesicht geschrieben, sie nimmt eilig die eroberten Blutproben
und sieht zu, dass sie Land gewinnt.
Und überlässt der Ärztin den Kampf
um den Zugang.
Die übernimmt, kann ja nu links nix
mehr ausrichten, ich halte den rechten Arm hin und lasse das
Unvermeindbare geschehen.... Ich sage ihr, dass die nicht lange
liegen wird, dass es weh tut. Sie guckt treuherzig und wünscht mir
alles Gute.
Na Danke.
Ich werde auf den Flur geschoben mit
dem schmerzenden Bein und nun auch einem schmerzenden Arm – innen,
da wo das weiche Fleisch ist, der Blutgerguss geht jetzt so langsam
weg, immerhin nach 10 Tagen!!! - und genieße das Schauspiel, dass
sich uns bietet. Überall Tragen mit Sportunfällen und eine Horde
NorätztInnen und Sanis... herrlich – ich spreche ihre Sprache,
lache über Insider und hätte mich so wohlgefühlt.... Nur – ich
sitze und die stehen, ich bleibe und die gehen..... Blödes
Spiel!!!
Der wunderbarste Mann der Welt ist an
meiner Seite und lächelt tapfer....
Wie der das mit mir aushält, weiß
auch nur er allein.....
Mir fällt das zugegebenermaßen
manchmal schwer...... - so mit mir....
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