Geliebter Bruder, 13.12.15
heute ist es zwei Wochen her, dass ich
Dich zum letzten Mal gesehen habe. Berühren konnte.
Das letzte Mal für immer in diesem
meinem Leben, das ich jetzt ohne Dich weiter leben muss. Und werde,
das wohl.
Wie du da gelegen hast, kalt,
unbeweglich, ohne jedes Leben in dir, habe ich gesehen und
verstanden, warum du gegangen bist.
Ich habe es begriffen und doch nicht.
Dass unsere Liebe nicht mehr Deinen Weg
bestimmt und geleitet hat, dass sie dir kein Trost war. Ich habe es
verstanden und gesehen, es war verewigt in deinen Zügen und für
immer in unserem Gedächtnis und in unserem Herzen. Es macht mich um
so trauriger und auch wütend.
Bruderherz,zu gehen war nur für dich
eine Lösung. Uns wären sicher noch viele andere Lösungen
eingefallen. Viele und machbare.
Leider weiß ich nur zu gut, was dir
das Vertrauen in dieses Leben genommen hat. Das Vertrauen darin, dass
unsere Liebe dich getragen hat und dass du er Wert warst und bist!
Nun stehe ich da, bin fassungslos und
verletzt und einsam und weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich das
schaffen soll. Das Leben hat uns schon einmal für so lange Zeit
getrennt und ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass diese
Trennung nun für immer sein soll. Weißt du, ich finde das nicht
fair. Vier Jahre sind verdammt noch mal einfach nicht genug!
Vier Jahre, in denen wir nicht
annähernd über Alles geredet haben. Wir haben es noch nicht mal
geschafft, uns so richtig zu streiten – so wie Geschwister das
manchmal tun...
Wir hatten nicht genug Zeit.
Meine Gedanken kreisen den ganzen Tag
um dich. Ich warte täglich darauf, dass der Albtraum aufhört, dass
du mir schreibst, so wie in den letzte Jahren fast täglich. Aber so
oft ich nachsehe, kein „Na Kleene, wie isses heute?“ Ich habe
mich sogar bei dem Gedanken ertappt, dich anrufen zu wollen, einfach
um deine Stimme zu hören, aber dann ist mir eingefallen, dass ich
das nicht mehr kann... Es erschlägt mich so – mich und alle
anderen auch!
Weißt du, ich habe wie immer Unglück
kommen sehen, habe lange schon gewusst, dass etwas Schlimmes
passiert, eine Katastrophe, aber nichts konnte mich darauf
vorbereiten, was passiert.
Hätte ich an irgendeiner Stelle
reagieren müssen? Anders handeln? Zu Dir fahren und dich beschützen?
An welcher Stelle hätte ich dich noch bewahren können? Ich weiß es
nicht und ich finde auch keine Antworten darauf. Immer und immer
wieder hämmert diese Frage durch mein Hirn und ich habe keine
Ahnung, wie ich damit weiter machen soll. Mit dem Gefühl, etwas
versäumt zu haben.
Das sind natürlich egoistische
Wünsche. Da wo du jetzt bist, bist du alles los, was dich so hat
verzweifeln lassen.
Oder siehst du von da aus, was du
angerichtet hast und bereust es auch ein bisschen? Ich hoffe
inständig, dass alles Irdische dich da nicht erreichen muss und du
wenigstens jetzt deinen Frieden hast!
Echten und unendlichen Frieden.
Ich hoffe einfach, dass du nun endlich
glücklich sein kannst! Natürlich hätte ich es so viel lieber
gehabt, wenn wir das Glück und den Frieden hier hätten teilen
können.... Nun muss ich warten, bis ich da bin, wo dein Glück
ist.
Für mich wird es noch ein weiter Weg
bis dahin.
Ein langer und im Moment wirklich nicht
einfacher Weg. Im Moment habe ich einfach nur das Gefühl, dass alles
voller Trümmer und Steine und Mauern ist. Mein Geist ist vernebelt
von Traurigkeit, mein Herz schmerzt und ich fühle mich wie aus Blei.
Ich muss mich jeden Tag zwingen, überhaupt aufzustehen und begrüße
den Schlaf als Oase, in der ich nicht denken und bewusst fühlen
muss. Aber auch in meinen Träumen ist die Trauer allgegenwärtig und
im Moment finde ich nur wenig Trost - egal wo. Ich kann vor lauter
Nebel und Traurigkeit den Weg nicht erkennen.
Es fühlt sich an, wie bei vollem Tempo
hingefallen – schwer verletzt suche ich meine Einzelteile zusammen
und versuche, sie wieder zusammen zu setzen – und habe die ganze
Zeit keine Ahnung, wie der Bauplan aussah. Dauernd fügen sich Dinge
zusammen und nie fühlt es sich richtig an. Sie passen nicht mehr …..
Ein Teil von mir, der bei dir, in
deiner Seele immer einen Platz hatte, all die Jahre, in denen wir uns
nicht hatten, und vermissen mussten, aber immer wussten, dass wir da
irgendwo sein müssen, dieser Teil meiner Seele, der mit deiner
verwachsen war und ist, er ist mir dir gegangen und wird bei dir
bleiben. So wie ein Teil von dir immer bei mir sein wird, in mir,
fest verwurzelt und eins. Diese Teile werden irgendwann wieder
zusammen finden. Irgendwann da wo du jetzt bist.
Unerreichbar für uns und unseren
Schmerz....
Ich finde dich in meinem Herzen, in
meiner Seele, in meinen Gesichtszügen, meinen Augen. Du bist in den
Kindern manifestiert – dein Gesicht, dein Art dich zu bewegen, dein
Humor, deine liebevollen Augen... Es bleibt und der Tag wird kommen,
wo es mich wieder mit Freude und Dankbarkeit erfüllen kann, statt
mit Trauer und Verzweiflung.
Manchmal höre ich deine Stimme
Bruderherz.
Und dann denke ich, du wirst immer bei
mir bleiben...
Irgendwie wird es irgendwann weiter
gehen. So oder so... für und alle... dieses Leben hier – ohne
dich.
Das tut es schon die ganze Zeit.
Die Welt ist nicht stehen geblieben.
Die Zeit auch nicht.
Eine andere Zeit ist angebrochen.
Grüß Papa von mir!
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